Notvertretungsrecht für Ehegatten kommt jetzt doch!
Der Bundestag hat am 05.03.2021 den Entwurf für das neue „Notvertretungsrecht“ verabschiedet. Dieses regelt eine Vertretung unter Ehegatten und eingetragener Lebenspartner für die Dauer von maximal 6 Monaten.
Die Entscheidungsmöglichkeiten sind eng gefasst und werden seit 2003 diskutiert.
Was genau bedeutet die Neuregelung "Gegenseitige Vertretung von Ehegatten in Angelegenheiten der Gesundheitssorge" nach §1358 BGB n.F.?
Ab dem 01.01.2023 gibt es im Inland eine Vertretungsberechtigung für Notfälle und dann nur für den Gesundheitsbereich auf maximal 6 Monate. Andere Bereiche und Entscheidungen sind ausdrücklich ausgeschlossen und können weiterhin nur durch einen gerichtlichen Betreuer oder einen Vorsorgebevollmächtigten ausgeführt werden.
Welche Voraussetzungen gelten?
Damit das Notvertretungsrecht greift, müssen folgende Kriterien erfüllt sein:
- Bestehende Unfähigkeit eines Ehegatten aufgrund von Krankheit oder Bewusstlosigkeit eigene Angelegenheiten der Gesundheitssorge rechtlich zu besorgen.
- Die Ehegatten bzw. eingetragene Lebenspartner müssen noch „zusammen“ sein, gilt somit nicht für rechltlich Getrenntlebende.
- Familienangehörige sind ausgeschlossen und können nicht ohne Vollmacht vertreten.
- Keine vorab eingetragene Ablehnung des Ehegattenvertretungsrechts im ZVR. Ärzte sind jedoch nicht zur Prüfung verpflichtet. Nachforschung soll nur stattfinden, wenn Zweifel an den Aussagen des vertretenden Ehegatten bestehen.
Eine Ablehnung des Notvertretungsrechts kann jederzeit eigenständig im zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer kostenpflichtig hinterlegt und wieder geändert werden.
- Keine Dauer von freiheitsentziehenden Maßnahmen von mehr als sechs Wochen.
- Schriftliche Zusicherung des vertretenden Ehegatten an den Arzt, dass bislang keine Ausübung des Ehegattenvertretungsrechts erfolgte (aktuelle Lesart ist, dass Zeiten nicht kumuliert werden können) und keine Ausschlussgründe vorliegen (Getrenntlebend, Vorsorgevollmacht, Ablehnung der Ehegattenvertretung). Eine spezielle Prüfungs- und Nachforschungspflicht des Arztes soll es explizit nicht geben.
- Der behandelnde Arzt im Krankenhaus muss nach Feststellung der Gründe (oder Versagung bei Ausschlussgründen) eine Bescheinigung ausstellen, dass Handlungsunfähigkeit des Ehegatten besteht. Diese Bescheinigung braucht der vertretende Ehegatte z.B. für Anträge zur unmittelbaren Reha oder Kur.
- Es darf keine Vorsorgevollmacht oder gerichtliche Betreuung bestehen.
Wenn all diese Punkte ärztlich sowie durch den vertretenden Ehegatten nachgewiesen sind, greift die gesetzliche Regelung ab Ausstellung der ärztlichen Bescheinigung für den bezeichneten Notfallzeitraum.
Welche Entscheidungen bzw. Handlungen dürfen ausgeführt werden?
Der Rahmen der Entscheidungen ist eng gesteckt und auf 6 Monate begrenzt. Nach diesem Zeitraum kann keine weitere Vertretung erfolgen. Dann nur noch durch eine gerichtliche Betreuung oder durch eine Vorsorgevollmacht.
Für folgende Bereiche gilt die "Notvertretung":
- Einwilligung/Nichteinwilligung in Untersuchungen des Gesundheitszustandes, in Heilbehandlungen und in ärztliche Eingriffe einschl. Kostenübernahmeverträgen
- Entgegennahme der ärztlichen Aufklärung sowie Weitergabe von Krankenunterlagen an Dritte
- Abgabe und Annahme von Willenserklärungen in Bezug auf ärztliche Behandlungsverträge, Krankenhausverträge und sonstiger Verträge, die direkt der unmittelbaren medizinischen Versorgung, Pflege, Betreuung dienen oder der Rehabilitation in Zusammenhang mit der Notvertretung stehen
- Entscheidungen über freiheitsentziehende Maßnahmen gem. 1831 Abs. 4 BGB n.F. von bis maximal 6 Wochen einschl. Einholung der betreuungsgerichtlichen Genehmigung
- Ansprüche des zu vertretenden Ehegatten aus Anlass der Erkrankung gegenüber Dritten geltend zu machen
- Entgegennahme und Öffnung der Post des anderen Partners, jedoch nur im berechtigten Rahmen, z. B. Krankenkasse, Krankenhaus, Pflegeheim...
Welche Bereiche werden nicht abgedeckt?
Eine Vertretung u.a. in folgenden Bereichen ist nicht vorgesehen und bedarf anderweitiger Regelungen:
- Bestimmung über den Aufenthalt und Unterbringung außerhalb des Notfalls
- Verträge schließen oder kündigen wie z.B. Mietverträge, laufende Verträge und Abonnements, usw.
- Alle Angelegenheiten rund um das Thema Finanzen, Versicherungen, Bank und Steuer
- Sonstige Vermögensangelegenheiten wie z.B. Willenserklärungen zu Festgeld, Investments, Immobilien usw.
- Abstimmungen mit Behörden und Institutionen, Versorgungskassen, Dritten Parteien
- Vertretung bei Prozessen und Vertretung bei aktiv/passiv Streitigkeiten
- Unterbevollmächtigungen an die Familie, z.B. Ehegatte ist selbst "nicht 100%ig handlungsfähig" und möchte an die Kinder übergeben
- Vertretung in Rechtsangelegenheiten
- Rechtliche Handlungen in Bezug auf den § 181 BGB, Insichgeschäfte
- Digitale Angelegenheiten
- Vertretungen rund um das eigene Gewerbe bzw. die Selbständigkeit
- etc.
Wann endet die Ehegattenvertretung?
- Bei Wegfall der Unfähigkeit des Ehegatten
- Wenn eine rechtliche Betreuung eingerichtet wurde
- Falls eine Vorsorgevollmacht aufgefunden wurde
- Nach sechs Monaten bzw. sechs Wochen bei freiheitsentziehenden Maßnahmen
- Bei Feststellung von Falschangaben, z.B. doch Getrenntlebend, Ablehnung durch ZVR-Eintrag
Zusammenfassend kann man sagen, dass die kurzfristige Vertretung unter Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnerschaften die Betreuungsgerichte erst mal entlastet und ca. der Hälfte der Bevölkerung,
also den Verheirateten, eine kurzfristige Handlungsfähigkeit für Notsituationen im Gesundheitsbereich ermöglicht.
Eine Vertretung erstreckt sich jedoch in der Praxis so gut wie immer über den Gesundheitsbereich hinaus. Die Vertretung über eine Vorsorgevollmacht hat z.B. ca. 100 Entscheidungsbefugnisse.
Das Ehegattenvertretungsrecht regelt nur ca. 10.
Man kann also nur für umfassende Selbstbestimmung sorgen und die Familie entlasten, wenn man seine Vorsorgevollmacht oder auch Unternehmervollmacht frühzeitig erledigt hat.
JURA DIREKT 03/2022, 09-2022, 12-2022 DA
Quellen: reguvis.de/Betreuung, Die Reform des neuen Betreuungsrechts (Kurze), Partneranwälte JURA DIREKT